Kunstmuseen

Münchner Stadtmuseum
Interview mit Florian Dering zur Ausstellung 'Typisch München'

Am 4. April 2012 hatten wir einen Interviewtermin mit Florian Dering. Er ist stellvertretender Direktor des Münchner Stadtmuseums und kennt die Ausstellung ‚Typisch München‘ ganz genau.

Münchner Kunstdetektive (MK): Sehr geehrter Herr Dering, wir würden gerne mehr über Sie und ihren Beruf im Museum erfahren. Was genau ist Ihre Aufgabe im Münchner Stadtmuseum?
Florian Dering (FD): Ich bin der stellvertretende Direktor des Münchner Stadtmuseums. Ich war bei der Gestaltung der „Typisch München Ausstellung“, die anlässlich des 850-jährigen Jubiläums der Stadt München im Jahre 2008 hier bei uns im Haus fest installiert wurde, beteiligt. Diese ist eine Dauerausstellung, das heißt sie wechselt nicht, sondern ist ständig in unseren Räumen zu sehen. Und nun bin ich sehr auf eure Fragen gespannt. Und wenn jemand eine Frage stellt, die ich nicht beantworten kann, bekommt derjenige 5 Euro von mir! (Er lacht!)
MK - Nikola: Grüß Gott, wir sind die Münchner Kunstdetektive und wollen Ihnen ein paar, oder genau 27 Fragen stellen. Dürfen wir während des Interviews Fotos von Ihnen machen?
FD: Wenn das die erste Frage war, war diese aber nicht schwer zu beantworten. Natürlich dürft ihr!
MK - Tom: Wie alt sind Sie und wie lange arbeiten Sie schon hier?
FD: Ich bin 61 Jahre alt und schon seit dreißig Jahren hier beschäftigt.
MK - Louis: Was haben Sie studiert?
FD: Ich habe Volkskunde studiert, das heißt ich habe viel über andere Kulturen gelernt.
MK - Nico: Was hat Sie denn zu diesem besonderen Beruf gebracht?
FD: Ich wollte immer schon im Museum arbeiten. Dann hatte ich das Glück, dass ich meine Doktorarbeit über die Geschichte von Karussellen, Riesenrädern, Achterbahnen und Schaustellergeschäften geschrieben habe und dass damals hier eine Stelle frei war, die genau diese Themen zu bearbeiten hatte. Und prompt konnte ich am Stadtmuseum anfangen!
MK – Amanda: Was haben Sie in letzter Zeit zur Münchner Stadtgeschichte herausgefunden, was Sie vorher noch nicht wussten?
FD: Diese Frage kann man nur schwer beantworten, denn wir machen immer verschiedene Ausstellungen, bei denen die Themen wechseln. Zurzeit bereite ich eine Ausstellung für das kommende Jahr vor, in der es um einen Silberschmied bzw. die Firma Wetzlar geht. Diese Firma war eine jüdische und deshalb wurden die Besitzer 1938 von den Nazis vertrieben. Zu diesem Thema muss ich nun alles herausfinden, was es gibt und dabei lerne ich auch viel Neues.
MK - Kara: Wie ist das Museum entstanden?
FD: Im 15. Jahrhundert war der historische Bau des Museums das sogenannte Zeughaus gewesen, in dem früher Hellebarden, Spieße, Rüstungen und Waffen gelagert wurden. Wenn ein Überfall auf die Stadt München drohte oder wenn die Männer der Stadt in den Krieg ziehen mussten, kamen die alle hier zusammen, um sich zu bewaffnen. Die Waffen und die alten Ausrüstungsgegenstände, ungefähr 2500 an der Zahl, besitzen wir immer noch. Mit diesem Bestand wurde dann im Jahre 1888 das eigentliche Museum gegründet.

Die nächsten Fragen stellen die ‚Experten der frühen Münchner Stadtgeschichte und des Mittelalters‘.

MK - Sophie: Was ist das älteste Fundstück der Münchner Stadtgeschichte?
FD: Das ist schwierig zu sagen, denn wir können nur von den Fundstücken ausgehen, die wir auch hier in unserem Haus besitzen. Das älteste was wir hier haben sind ganz kleine Silbermünzen mit dem Kopf des Münchner Kindls darauf. Diese stammen aus dem 12. Jahrhundert. Andere Museen, zum Beispiel archäologische Sammlungen, besitzen natürlich auch Objekte, die aus der Zeit vor der Münchner Stadtgründung stammen. Wisst ihr denn wann München gegründet wurde?
MK - Oskar: Im Jahre 1158!
FD: Ihr seid aber gescheit!
MK - Louis: Was ist Ihr bayrisches Lieblingsessen?
FD: Mein Lieblingsessen ist… eigentlich alles. Am liebsten aber Herz. Da schaut ihr, was?
MK - Sophie: Aus welchem Material besteht die Schuhsohle des Mönchen und passen alle Einzelteile zusammen?
FD: Die Schuhsohle besteht aus Leder. Ob die ganzen kleinen Einzelteile auch wirklich zusammen passen weiß ich nicht, ich habe es noch nie mit eigenen Händen ausprobiert. Aber man kann davon ausgehen, dass es nicht mehr komplett ist, denn es sind ja Fundstücke, die mit dem Lauf der Zeit auseinandergefallen sind. Also kann man davon ausgehen, dass bestimmt etwas fehlt.
MK - Oskar: Wo wurde der Schlüsselbeinknochen von Heinrich dem Löwen gefunden?
FD: Dazu muss ich gleich sagen, dass der Knochen nicht von Heinrich dem Löwen ist. Dieser Knochen stammt aus dem Besitz von König Ludwig I.. Man hat die Grabstelle von Heinrich dem Löwen untersucht und festgestellt, dass das Skelett vollständig ist, also kein Schlüsselbeinknochen fehlt. Diese Geschichte hat sich im 19. Jahrhundert irgendjemand ausgedacht. Und somit muss man das eher wie eine Gaudi sehen.
MK - Samuel: Wie alt ist Heinrich der Löwe geworden?
FD: Oh je… Ich glaube jetzt bekommst du 5 Euro von mir. Das weiß ich nicht…
MK - Oskar: Wann kam die Statue von Heinrich dem Löwen ins Museum und aus welchem Gestein besteht sie?
FD: Die Statue ist nicht aus Stein, sondern aus Zink, was ein relativ weiches Material ist und gegossen wird. Die Statue stand früher beim Alten Rathaus auf der Seite, die zum Thal führt. Dort befand sich früher die Brücke von Heinrich dem Löwen. Heute steht dort der gleiche Heinrich der Löwe, nur eine Kopie von unserem Original, das vor etwa 12 Jahren zu uns ins Museum kam.
MK - Nicola: Wie lange sind die Moriskentänzer im Alten Rathaus gestanden?
FD: Die Moriskentänzer sind schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem Alten Rathaus ver-schwunden. Das ist eine ganz seltsame Geschichte, denn man hat diese gotischen Figuren verkauft, weil man sie eine Zeit lang gar nicht mehr geschätzt hat. Man hatte jedoch Glück, dass die Figuren um 1930 bei uns im Museum waren, denn während des Zweiten Weltkriegs hat man alles zur Sicherheit in Kisten verpackt und außerhalb der Stadt versteckt. Zum Glück, denn im Gebäude des Museums schlug eine Bombe ein. Nach dem Krieg hat man die Moriskentänzer dann nachgemacht und die Kopien im Alten Rathaus wieder aufgestellt. Die Originale jedoch stehen bei uns im Museum.
MK - Verena: Was ist mit den restlichen sechs verschollenen Morisken?
FD: Man kann nicht sagen, dass diese verschollen sind. Wenn man sich die Deckenarchitektur des Alten Rathauses ansieht, so findet man genau so viele Konsolenplätze, dass alle vorhandenen Moriskentänzer ihren Platz haben. Man wüsste also gar nicht, wo die anderen gestanden haben sollen. In der damaligen Rechnung, die für die Tänzer ausgestellt wurde steht eine Zahl drin, die man schlecht nachvollziehen konnte und deshalb dachte man, dass es noch sechs weitere geben musste, was jedoch so nicht stimmt.
MK - Maxl: Seit wann gibt es die Moriskentänzer und gibt es noch heute welche, die diesen Tanz tanzen?
FD: Das Alte Rathaus ist ungefähr 1480 gebaut worden und für die Ausstattung hat Erasmus Grasser die Moriskenfiguren geschnitzt. Also sind sie schon über 530 Jahre alt. Da diese Figuren so berühmt für München waren, hat eine Tänzer-gruppe angefangen, den Moriskentanz aufzu-führen. Und so tanzen sie auch heute noch zu einigen Veranstaltungen. Aber leider wissen wir nicht ganz genau, wie der Moriskentanz früher aussah, denn damals konnte man ja noch keine Filmaufnahmen machen.
MK - Anna: Ist das Gold der Moriskentänzer echt?
FD: Ja, das ist immer eine echte Vergoldung. Diese ist aus Blattgold, das mit einem feinen Pinsel aufgetragen und poliert wird.
MK - Julius: Wieso steht ausgerechnet diese besondere Ritterrüstung im Museum und nicht irgendeine andere?
FD: Weil diese Rüstung eine komplette Rüstung ist. Hingegen haben wir ganz viele Einzelteile vom sogenannten Fußvolk, das nur einen Brustpanzer vorne, einen Rückenpanzer hinten und einen Helm trug. Da das Museum früher das städtische Zeughaus war, sind hier auch fast nur diese Rüstungen des Fußvolkes zu finden. Die eigentlichen Ritter waren jedoch adelig und hatten somit einen höheren Rang, als die anderen. Diese besonders schöne Rüstung ist eben von so einem Ritter und bei uns selten. Zudem ist sie vollständig erhalten und schon relativ alt, deshalb steht sie hier.
MK - Julius: Sind die hier ausgestellten Waffen echt?
FD: Bei uns im Museum ist alles echt!

Nun geht es weiter ins Königliche München, mit weiteren Expertenfragen.

MK - Jakob: Wie genau ist das Münchner Kindl entstanden und wie hat es sich fort entwickelt?
FD: Das Münchner Kindl ist eigentlich ein Mönch… Wisst ihr eigentlich schon was darüber? Ich glaube es ist besser, wenn wir uns diese Frage für den Schluss aufheben, dann gehen wir wieder an den Anfang der Ausstellung, denn dort hängt ein großes Holzwappen des Münchner Kindls. Wenn ich es euch damit erkläre, könnt ihr euch die Geschichte viel besser veranschaulichen.
MK - Niki: Sind die Gemälde von den Königen, die im Museum zu sehen sind echt und gibt es heute noch Verwandte von König Ludwig I.?
FD: Also noch einmal, bei uns ist alles echt! Und ja, es gibt Nachfahren von Ludwig I.. Zum Beispiel wohnt der jetzige Herzog Franz von Bayern hier in München in Nympfenburg im Schloss. Er ist das Oberhaupt der Familie Wittelsbach und sein Urgroßvater war Ludwig III. , der letzte König.
MK - Severin: Zu welchem Anlass schenkte Ludwig I. seiner Geliebten Lola Montez das goldene Armband mit dem Herz drauf?
FD: Man weiß den Anlass heute nicht mehr. Bei uns hängt nur das große Gemälde mit Lola Montez, auf dem sie dieses Geschenk trägt.
MK - Kian: Wie hat man herausgefunden wie Lola Montez in Wirklichkeit hieß?
FD: Ihr richtiger Name war schon damals bekannt, denn so wie wir heute einen Ausweis haben, so hatten auch die Leute damals schon Papiere und eine Geburtsurkunde, auf denen der richtige Name stand. Den Namen Lola Montez hat sie sich selber ausgesucht, denn dieser klingt besonders vornehm.
MK - Kara: Wie sind die indianischen Kinder Juri und Miranda gestorben?
FD: Das ist eine sehr traurige Geschichte. Ihr müsst euch das so vorstellen, dass es für diese beiden Kinder sehr anstrengend war eine so weite Reise zu machen, denn die sind nicht mit dem Flugzeug geflogen, wie wir heute, sondern mit dem Schiff, was viel länger dauert und große Strapazen mit sich brachte. Dazu kommt, dass die beiden Kinder unser raues Klima nicht vertragen haben. Wahrscheinlich haben sie sich so stark erkältet, dass sie an den Folgen einer schweren Lungenentzündung starben.
MK - Nico: Wieso gibt es im Münchner Stadtmuseum keine Gemälde und Schätze von Ludwig II.?
FD: Das ist einfach zu erklären. Ludwig II. spielte für die Stadt München an sich keine besonders große Rolle, denn die Schlösser, die er baute, sind in Oberbayern zu finden und nicht in München selber. Das einzige, was Ludwig II. mit München zu tun hatte, war die Begegnung mit dem Komponisten Richard Wagner, der dann auch einige Opern schrieb. Eine Büste von Richard Wagner ist auch hier im Museum zu sehen. Aber wir haben hier eine kleine Schreibmappe des noch jungen König Ludwigs II. im Haus.
MK - Jakob: Wer hat die Handkarre aus der Prinzregentenzeit erfunden?
FD: Das kann man so nicht sagen, denn Karren mit denen man etwas transportieren kann, gab es schon, seit es Räder gibt. Diese Karren waren sehr verbreitet, weil man sie mit der Hand ziehen konnte. Sie verschwanden erst, als die Autos kamen.
MK - Severin: Wer hat die Kanalisation im 19. Jahrhundert erfunden?
FD: Erfunden ist das falsche Wort dafür. Ihr müsst euch das so vorstellen, dass die Menschen früher einfach ihre Hinterlassenschaften auf die Straße geschüttet haben. Das ist dann nur mit einem Besen weggekehrt oder in die Stadtbäche gekippt worden. Andere Menschen haben aber in dem Flusswasser ihre Wäsche gewaschen oder mit dem Wasser gekocht. Durch das verdreckte Wasser sind die Leute sehr oft krank geworden und im 19. Jahrhundert haben dann Wissenschaftler die Ursache entdeckt. Hier spielt dann auch Herr Pettenkofer eine große Rolle, der erkannt hat, dass diese Verunreinigung des Wassers die Haupt-ursache für die schlimme Choleraseuche war. Somit hat man das Abwasser in unterirdischen Kanälen aus der Stadt geleitet und es konnte sich nicht mehr mit dem sauberen Wasser vermischen. Somit ist Herr Pettenkofer sehr entscheidend für die Gesundheitsreform in München, denn er hat die Abwasserpläne entworfen.
MK - Kian Von wem sind die großen Flügel im zweiten Stock des Museums und wie kamen sie ins Museum?
FD: Die Flügel stammen vom Friedensengel, der untersucht wurde. Dabei stellte ein sogenannter Steiger, der mit einer Hebebühne zu den Flügeln des großen Friedensengels heraufgefahren wurde fest, dass die bronzenen Flügel, genauso wie sein Fuß vom Material her marode, also angeschlagen waren. Deshalb hat man den ganzen Engel abgebaut und die Flügel, sowie den Fuß erneuert. Diese drei originalen Teile sind nun bei uns in der Sammlung. Bei den Flügeln hatten wir die Idee, diese wirkungsvoll in den Raum zu hängen.
MK - Jannik Was ist ihr Lieblingsstück in diesem Museum?
FD: Also die Flügel des Friedensengels mag ich eigentlich sehr gerne, weil sie so außergewöhnlich sind. Zudem war ich auch dafür verantwortlich, dass die Flügel an die Decke des Museums gehängt wurden. Diese Aktion war sehr schwierig, denn die Flügel sind sehr schwer. Man musste vorher eine extra Konstruktion bauen und zudem haben die Flügel eine Art Korsett bekommen, damit sie nicht von ihrem Eigengewicht einknicken. Dafür musste eine Spezialfirma kommen, die hier ein Gerüst montierte und zusätzlich ausprobierte, wie sie hängen sollten, damit sie am besten zur Geltung kommen.

Die Kunstdetektive gehen nun zusammen mit Herrn Derling zu den Flügeln des Engels und machen Fotos davon.

Danach erklärt Herr Derling wie versprochen den Münchner Kunstdetektiven vor dem Wappen des Münchner Kindls dessen Entstehungsgeschichte.


FD: Das Münchner Kindl ist grundsätzlich ein Mönch, also ein Mann, und der Begriff Mönch war auch der Namensgeber für München. Der Mönch trägt eine typische schwarze Kutte und zusätzlich hat er noch gelbe Streifen darauf, was man verbrämt nennt, denn die gelben Streifen sind zusammen mit der schwarzen Kutte zugleich die Münchner Stadtfarben. Zudem hat dieser Mönch seine rechte Hand in der besonderen Segensgeste, genau wie der Pfarrer in der Kirch. In der anderen Hand hat er ein Gebetsbuch. Zusätzlich hat das Kindl einen roten Kreis hinter dem Kopf, den man Nimbus nennt und der die Figur besonders hervorhebt. So wird das Münchner Kindl immer dargestellt.
Ab dem 17. Jahrhundert hat man diesen Mönch immer breiter und dicklicher gemacht. Somit sah er immer kindlicher aus. Dieses Münchner Kindl, vor dem wir jetzt stehen ist aus dem Jahre 1770. Dieses ist zwar durch sein Gewand und durch seine mönchstypische Frisur wie ein Geistlicher dargestellt, hat aber eindeutig ein Kindergesicht und somit verbreitete sich der Begriff des Münchner Kindls ab der Mitte des 19. Jahrhunderts und wurde in ganz anderen Formen gezeigt. Das ursprüngliche Wappen, das seit 1957 existiert, findet man heute noch überall, zum Beispiel auf Kanaldeckeln. So jetzt wisst ihr alles!
MK: Vielen Dank, dass wir so viel von Ihnen erfahren durften, es hat uns sehr viel Spaß gemacht!

Eine Internetseite von Kuki - Kunst für Kinder e.V. für das Münchner Kinderportal www.pomki.de
in Zusammenarbeit mit dem Sozialreferat/ Stadtjugendamt/ Medienbeauftragte