Kunstmuseen
Lenbachhaus Kunstbau
Interview mit Matthias Mühling zur Ausstellung 'Erwin Wurm'
Am 5. November 2009 trafen wir Matthias Mühling, einen Kurator der Erwin Wurm - Ausstellung im Kunstbau. Als Kurator ist er unter anderem für die Organisation, Durchführung und den Auf- und Abbau der Ausstellung zuständig. Wir haben Ihm eine Menge Fragen gestellt.

Das ist Herr Mühling. Er ist ein Kurator der Ausstellung 'Erwin Wurm'.

Beim Interview

Das Plakat zur Ausstellung zeigt die Gurke, das Selbstportrait von Erwin Wurm.

Kunstreporter im Gespräch

Ein 'gestricktes Leinwandbild' von Erwin Wurm

Ein riesiger Pullover um eine ‚Kartoffelform’. Die Skulptur heißt ‚Mind Bubble’ - Gedankenblase.

Adorno, der dicke Mann, der fast nicht mehr in seine Hose passt; gezeichnet von Julian.

Beim Interview

Herr Mühling führt uns zu seinem Lieblingskunstwerk.

Es heißt 'Stressbeule'.

Zeichnung der ‚Stressbeule’, von Dennis

Das Auto hält nur ein Stift an der Wand. Aber wie ist es befestigt?
Münchner Kunstdetektive: Wie lange kennen Sie Herrn Wurm schon und wo haben Sie ihn kennengelernt?
Hr. M.: Ich kenne ihn erst seit zwei Jahren, seine Kunst aber schon seit ungefähr zehn Jahren, denn zuerst lernt man eigentlich immer die Kunstwerke, dann den Künstler kennen.
MK: Wie lange hat das Aufbauen der Ausstellung gebraucht?
Hr. M.: Das Aufbauen der Ausstellung hat ca. drei Wochen gedauert, was der üblichen Aufbauzeit einer Ausstellung entspricht.
MK: Warum zeigen Sie die Arbeit von Herrn Wurm?
Hr. M.: Das ist eine sehr schwierige Frage. Wenn man ein Museum betreibt, muss man sich stets fragen, welche Ausstellungen man machen kann, die im Moment für die Leute interessant sein könnten. Dabei gibt es verschiedene Dinge zu überlegen, z.B. muss man mal Künstlerinnen zeigen und wenn man viele Künstlerinnen gezeigt hat, muss man mal wieder einen Künstler zeigen. Man will Malerei zeigen und wenn man viel Malerei gezeigt hat, will man auch mal wieder Skulptur zeigen. Außerdem muss man immer überlegen, welcher Künstler ist im Moment wichtig und kann etwas erzählen über das Leben, das wir leben. Und weil Herr Wurm so viel über die Lächerlichkeit des Menschen erzählt, haben wir uns gedacht, das ist ein Thema, das die Leute mal lernen sollten.
MK: Wieso haben Sie die Gurke auf das Plakat gemacht?
Hr. M.: Die Gurke haben wir auf das Plakat gemacht, weil wir Erwin Wurm auf dem Plakat haben wollten. Die Gurke ist ein Selbstporträt, das Er-win Wurm darstellt. So kann jeder sehen, wie Herr Wurm aussieht.
MK: Wie ist die Ausstellung nach München gekommen?
Hr. M.: Mit ganz normalen Transportlastern, die man auf der Autobahn sieht, wenn man herumfährt, in denen normalerweise Obst oder ähnliches transportiert wird. Besonders ist nur, dass die Transporteure etwas mehr geschult sind und wissen, das ist Kunst, mit der muss man vorsichtig umgehen, die kann leicht kaputt gehen, die ist ein bisschen teurer als eine Kiste Äpfel. Und so kommt dann alles Schritt für Schritt nach München.
MK: Wo kommen die Kunstwerke her?
Hr. M.: Die meisten der Kunstwerke kommen aus dem Atelier von Erwin Wurm, also dem Ort, an dem der Künstler arbeitet. Ein paar der Kunstwerke kommen aus unserem Museum, dem Lenbachhaus hier in München, weil wir auch eine Sammlung haben, die etwa zehn Werke Erwin Wurms beinhaltet. Ein paar Werke kommen außerdem aus anderen Museen, die uns die Kunstwerke für die Zeit der Ausstellung ausgeliehen haben.
MK: Welche Idee steckt hinter den Figuren mit Sockeln oder den angezogenen Leinwänden?
Hr. M.: Auch das ist wieder eine sehr schwere Frage, die ich aber beantworten kann. Es dauert nur etwas länger. Ihr kennt ja normale Gemälde, auf die jemand etwas drauf gemalt hat, Berge oder Landschaften zum Beispiel. Jetzt gibt es von Erwin Wurm Gemälde, also Leinwände, die aufgespannt sind, aber da ist ein Pullover drüber gezogen. Also könnte man sich fragen, so ein riesiger Pullover, was bedeutet das eigentlich, wenn ein Künstler jetzt nicht mehr malt, sondern Pullover strickt und sie über Leinwände zieht. Dafür gibt es mehrere Antworten. Bei der Kunst ist es immer so, dass man nicht genau weiß, was die richtige Antwort ist. Es geht vielmehr darum, dass wir überlegen, warum das so sein könnte. Man könnte zum Beispiel sagen, dass wenn die Mutti oder der Vati zuhause einen Pullover stricken, dann müssen sie genau wie der Maler überlegen, welche Farben sie verwenden. Man könnte sagen, dass alles, was man so tut, immer damit zu tun hat, zu überlegen, wie man komponiert. Deshalb ist Stricken auch eine Form des Komponierens von Farben und das ist genau das gleiche wie ein Bild malen. Wenn man sich hier in der Ausstellung umsieht, fällt auf, dass viele Sachen ganz dick sind, wie zum Beispiel Pullover für Leute, die ganz dick sein müssen. Oder es gibt einen Mann, der so dick geworden ist, dass er kaum mehr in eine Hose reinpasst. Das interessiert Herrn Wurm auch: nämlich dass heutzutage die Leute viel zu dick sind, weil sie viel zu viel essen und nichts mehr machen, sich nichts mehr überlegen. Das sagt ja auch ein bisschen etwas über uns aus, dass wir faul geworden sind und dass wir zu dick werden, dass wir uns nicht mehr bewegen. So etwas könnte man sich zum Beispiel überlegen, aber die richtige Antwort auf die Frage ist nicht die, die ich gebe, sondern das, was ihr euch dazu überlegt.
MK: Was soll die Ausstellung den Leuten sagen?
Hr. M.: Wenn man in eine Ausstellung geht, ist das immer das gleiche, egal ob man ganz alte Kunst hat oder ganz neue. Es soll erst einmal Spaß machen. Man soll in der Ausstellung erst einmal herumschauen was es so gibt, und wie sich diese Gegenstände von dem unterscheiden, was man normalerweise im Leben sieht. Und natürlich soll diese Ausstellung auch ganz ganz viel erzählen. Sie erzählt wie man Skulpturen macht, was eigentlich der Unterschied ist zwischen Skulptur und Malerei, usw.. Aber die wichtigste Aussage ist, ein Künstler ist genauso ein Doofmann wie alle anderen Leute auch. Der Mensch ist grundsätzlich erst einmal lächerlich und in allen Situationen im Leben, in denen er sich befindet, hat er immer Angst davor, sich lächerlich zu machen, was er letztendlich auch tut.
MK: Welches Kunstwerk von Herrn Wurm gefällt Ihnen am besten?
Hr. M.: Das ist mein Lieblingskunstwerk, es heißt „Stressbeule“. Es ist mein Lieblingskunstwerk, weil man genau erkennen kann, was eine klassische Skulptur ist. Eine klassische Skulptur, wie wir sie zum Beispiel aus dem 15. Jahrhundert kennen, besitzt schon genau die Art dieser Skulptur hier. Man hat ein Standbein und ein Spielbein, das heißt, eines hat man locker und eines spannt man an, so wie ihr auch immer steht. So steht der Mensch eben und wackelt dann immer von einem Bein auf das andere, damit nicht immer nur ein Bein belastet wird. Es ist also eine wirkliche Skulptur, wie man sie seit 500 Jahren kennt, aber was anders ist: es gibt einen Witz darauf. Und darum geht es bei Erwin Wurm immer ganz stark, Worte, die wir kennen, „Da krieg ich ne Stressbeule“ oder „Ich hab ne Ärgerbeule“. Das sind natürlich Dinge, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Und das ist genau, was Kunst machen kann, Kunst kann Sachen zeigen, die es eigentlich gar nicht gibt, wie zum Beispiel Stressbeulen, aber hier kann man sehen, wie sie aussehen könnten.
MK: Wie schafft es Herr Wurm, seine Arbeiten am Boden zu befestigen, zum Beispiel die Gurke und das schiefe Auto?
Hr. M.: Das ist eigentlich ein Geheimnis, aber ich sag es euch trotzdem. Also bei der Gurke ist es eigentlich gar kein Geheimnis, da gibt es einfach unter der Gurke einen Stahlstift, und dann bohrt man ein Loch und steckt diesen Stift in das Loch hinein. Bei dem Auto ist es so, dass Herr Wurm das gar nicht befestigt, denn Künstler sind auch, wenn sie berühmt werden, total beschäftig und können nicht mehr so viel selber machen. Dann kommen sie an und sagen zu uns: „Macht mal das Auto fest!“ Aber das Auto würde, so wie es steht, nur mit dem Stift dazwischen, tatsächlich halten, nur da das hier ein Museum ist, wo ganz viele Leute und auch Kinder reinkommen, muss man das irgendwie sicherer machen. Deshalb ist durch den Stift eine Stange durchgesteckt, die einmal in der Wand befestigt ist, dann durch den Reifen durch-geht und an dem Metallteil des Rades festgemacht ist, so dass es nicht umfallen kann.
MK: Vielen Dank für das Interview.