Kunstmuseen

Lenbachhaus Kunstbau
Interview mit Felicia Rappe zur Ausstellung 'Mondrian und De Stijl'

Am 21.6.2011 hatten wir einen Interviewtermin mit Felicia Rappe in der Ausstellung 'Mondrian und De Stijl' im Kunstbau des Lenbachhaus. Sie ist Volontärin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Lenbachhaus. Sie war an der Vorbereitung und Organisation der Ausstellung beteiligt und konnte uns sehr viele Fragen beantworten.

Münchner Kunstdetektive (MK) – Lejla: Wir sind die Münchner Kunstdetektive. Können Sie uns ein paar Fragen beantworten?
Felicia Rappe (FR): Sehr gerne, natürlich.
MK - Lejla: Dürfen wir auch Fotos von Ihnen machen?
FR: Hm, ja heute erlaube ich das.
MK - Daniel: Was ist ihr Beruf?
FR: Ich bin Kuratorin am Lenbachhaus. Als Kuratorin entscheidet man, was für Ausstellungen man macht, und welche Künstler man in seiner Stadt in seinem Museum zeigen möchte. Dann sucht man die Werke aus und hängt sie in einer Ausstellung, so wie wir das jetzt hier im Kunstbau gemacht haben.
MK - Daniel: Wie macht man das genau?
FR: Also nach dem Auswählen der Künstler schreibt man die Museen an, von denen wir raus gefunden haben, dass es hier Bilder für unsere Ausstellung gibt. Die Bilder, die hier hängen, gehören ja nicht uns. In diesem Fall haben wir vor allem an Museen in den Niederlanden geschrieben und gesagt, wir hätten gerne das und das Bild, und wenn die nett waren, dann haben wir Bilder bekommen. Dann kommen die Bilder hier bei uns in großen Kästen an, die so aussehen wie riesige Koffer. Dann packen wir die Bilder aus und schauen, wie wir sie bei uns aufhängen. Das ist dann die schönste Arbeit am Kuratorendasein.
MK - Amelie: Was sind Ihre Lieblingsfarben?
FR: Vor allem eine: Ein tiefes, ganz strahlendes Blau. Und so ein Blau ist, wie ihr ja sicher schon wisst, hier in der Ausstellung in den Bildern von Mondrian sehr häufig zu sehen. Ja eigentlich mag ich genau dieses Blau, das 'Mondrian-Blau'.
MK - Phillippe: Kennen die anderen Leute diese Künstler überhaupt?
FR: Viele, die hier reinkommen kennen zum Beispiel einen Theo van Doesburg erst mal nicht, ich glaube ihr habt ihn ja schon kennengelernt. Daher muss man in der Ausstellung erklären wer das ist und zeigt die Bilder, die von Ihm hier sind. Ein ganz wichtiges Ziel der Ausstellung ist es so also auch, dass unbekannte Künstler bekannt werden.
MK – Lina: Wieso haben Sie genau diese Bilder ausgewählt?
FR: Wenn man den Künstler Piet Mondrian zeigen möchte, dann ist es wichtig, dass man von Ihm nicht nur die Bilder zeigt, die man vor allem kennt. Ihr habt euch ja sicher auch schon die bekannten Mondrianbilder angeschaut, die weiß sind mit schwarzen Linien und den drei Farben Gelb, Rot und Blau. Wir haben für die Ausstellung auch ganz viele andere ausgewählt, mit Motiven wie einer Düne oder einem Kirchturm oder einer Blume, die die Leute weniger kennen. Und wir wollten eben von diesem sehr bekannten Maler Piet Mondrian auch Bilder zeigen, die die Öffentlichkeit noch nicht so kennt. Und natürlich sind da auch welche dabei mit meiner Lieblingsfarbe Blau, also hatte ich da auch meine Finger im Spiel.
MK - Phillippe: Wo kommen die Bilder her?
FR: Zum größten Teil kommen sie aus den Niederlanden. Piet Mondrian ist ja Niederländer. Deswegen liegt es nahe, dass die meisten Bilder, die er gemalt hat, auch dort noch sind. Viele sind in Den Haag. In Den Haag sitzt die Regierung von Holland, und hier ist ein Museum, das Gemeentemuseum. In diesem Museum hängt der Großteil der Bilder, die wir jetzt hier im Museum haben. Diesem Museum haben wir unsere Bilder geliehen, die wir hier im Museum haben. Wir haben also die Bilder sozusagen getauscht, und deren Bilder dafür bekommen.
MK - David: Gibt es ein Bild, das sehr schwer zu beschaffen war? Und wenn ja warum?
FR: Also die Bilder, die schwer zu beschaffen waren, haben wir leider auch nicht hier. Wir wollten unbedingt ein Bild haben, das so diagonale Linien hat, so ähnlich wie das vor dem wir stehen, aber ein ganz buntes.
Das Bild war aber schon so alt und so brüchig, dass das Museum uns das verständlicherweise nicht ausleihen wollte. Wenn das im LKW so über die Straßen geruckelt wäre, hinten im Anhänger, dann kann man sich vorstellen, dass die Farbe, diese alte Ölfarbe, die dann schon ganz trocken ist, sich löst und abblättert. Und häufig entscheiden eben Museen, wenn Bilder in einem so schlechten Zustand sind, solche Bilder nicht mehr auszuleihen. Und so haben wir dann leider, die, bei denen es viel Hin und Her gab, ob das möglich sei oder nicht, dann letztlich nicht hierher genommen. Denn wir achten sehr stark darauf, dass die Bilder auch heil bleiben, wenn wir sie ausleihen, und dass wir nur die hier haben, die nicht kaputt gehen können.
MK - Cecilia: Was ist das berühmteste Bild in der Ausstellung?
FR: Es gibt natürlich eine ganze Menge bekannter Bilder in der Ausstellung. Wir haben uns aber entschieden, das Bild, das die meisten kennen, so zu hängen, dass es die Leute, die reinkommen sofort sehen. Das ist das, wenn man die Rampe runtergeht ganz hinten in der Achse hängt. Das Bild von Piet Mondrian, mit Weiß, schwarzen Linien, Blau, Gelb und Rot, das Tableau I, also Bild 1. Für Piet Mondrian war das auch das Bild, das er am wichtigsten fand in dieser Zeit. Er hat es ja Bild 1 genannt, um zu zeigen: Hier geht es jetzt los! Vorher hat er ja auch schon ganz viel gemalt, aber bei diesem Bild hat er gesagt: Hier fängt jetzt für mich die richtige Malerei an, ich nenne das jetzt Bild 1. Und deswegen ist es heute noch ein sehr sehr bekanntes Bild.
MK - Agnes: Wie viel kostet das berühmteste Bild?
FR: Ich könnte es mir sicher nicht leisten! Wie viel würdet ihr denn dafür zahlen?
FR: Wir können diese Bild ja gar nicht verkaufen, und so weiß man bei den Bildern, die im Museum hängen auch nie so richtig wie viel die eigentlich kosten. Denn die werden ja in den Sammlungen von den Museen aufbewahrt und werden ja nicht in Galerien oder im Handel verkauft und als Ware dargeboten. Das ist ja der Unterschied zwischen den Museen und Galerien, die Kunst verkaufen. Das machen wir als Museum ja nicht. Man kann sich aber fragen: Wie viel würde dieses Bild kosten, wenn es gehandelt würde. Es gibt ja viele Mondrianbilder, die noch verkauft werden auf Kunstauktionen. Das funktioniert dann so, wie ihr das gemacht habt, es werden Gebote abgegeben und der am meisten bietet, bekommt den Zuschlag und der bekommt das Bild. Ich denke mal der von euch die zwei Millionen geboten hat, der würde wahrscheinlich ernsthaft in Betracht gezogen werden, aber es geht noch weit weit darüber hinaus.
MK - Madeleine: Wie hieß die erste Frau von Theo
(van Doesburg)?
FR: Lacht! Theo, war ja ein ganz schlimmer, der hatte eine Menge Frauen, das habt ihr ja schon raus gefunden, wenn ihr nach der Ersten fragt. Die erste hieß Anita, mit der war er vier Jahre zusammen, wenn ich das richtig erinnere. Und dann kam die Lena und dann die Nelly. Und mit Nelly war er dann ganz ganz lange zusammen.
MK - Jana: Warum hat sich Theo immer wieder verschiedene Namen gegeben, hat das etwas mit seiner Kunst zu tun?
FR: Wenn man so tut, als hätte man einen anderen Namen, kann man eine ganz neue Persönlichkeit ausprobieren, ganz neue Charakterzüge. Wenn man zum Beispiel als still gilt, kann man sich mit einem neuen Namen trauen mal so richtig wütend zu sein. Für Theo van Doesburg waren verschiedene Namen deswegen interessant, weil er so verschiedene Künste ausprobieren konnte. Er hat sich zum Beispiel einen anderen Namen gegeben, I. K. Bonset, weil er mal auf der Bühne stehen wollte und Theater spielen. Vorher hatte er vor allem gemalt und Skulpturen gemacht, und das ist natürlich etwas ganz anderes als Künstler dann auf der Bühne zu stehen, zu sprechen, Gedichte zu rezitieren, zu schreien und zu singen. Er wollte, denke ich, mit dem neuen Namen ausprobieren, ob ihm dieses neue Gebiet gefällt und zu Ihm passt. Und so ist er auch immer wieder in neue Gebiete gesprungen und hat sich neue Namen gegeben um sich auszuprobieren. Ich bin übrigens letztlich dann doch bei meinem geblieben. Lacht!
MK - Camilla: Kann man sich auf die Stühle in der Ausstellung auch drauf setzten?
FR: Ja, ein paar von euch machen es ja auch schon, (lacht). Auf die Stühle, die nicht auf dem Podest stehen, darf man sich drauf setzten. Diese Stühle aus der Zeit der Künstler haben wir für die Ausstellung ganz neu bauen lassen, in den Niederlanden. Gebaut hat sie der Urenkel von Gerrit Rietveld, der ist Architekt und Möbeldesigner, und baut die Stühle von seinem Urgroßvater nach. Wir fanden es eine schöne Idee, dass man nicht nur vor den Podesten steht, und denkt: Jetzt steht da oben die Kunst, und da darf ich nicht drauf. Wenn ich das versuche, dann kommt gleich einer von den Museumsaufsehern und schreit zurecht. Wir wollten diesem Bedürfnis, dass man diese historischen Möbeln auch ausprobieren kann, auch nachgeben und haben diese drei hier nachbauen lassen. Die sind von Gerrit Rietveld. Dann gibt es noch je vier Stühle mit einem roten Tisch, ganz vorne und hinten in der Ausstellung. Das waren Stühle für ein Altersheim für Militärangehörige. Die finde ich sogar bequemer als diese drei grauen Stühle hier, wo wir stehen. Diese hier haben eine ganz gerade Lehne, das finde ich unheimlich unbequem, weil man sich gar nicht zurücklehnen kann. Bei den anderen Stühlen aus dem Altersheim sind die Lehnen so etwas gekippt. Da kann man sich besser anlehnen.
MK - Jana: Wie funktioniert die Tanzfigur und wo sind die Knöpfe dafür?
FR: An der Figur sind hinten Hebel dran, wie das Pedal von einem Klavier. Wenn man die mit der Hand betätigt, dann bewegen sich die einzelnen Gliedmaßen, der Kopf und die Arme der Figur. Musik kann man mit der Figur aber nicht machen. Am Anfang habe ich das gedacht das geht, das sah so aus mit den Pedalen. Die Musik wurde, wenn die Figur auf der Bühne stand immer dazu extra eingespielt, von einem Klavier oder einem Orchester, oder es wurde ein Gedicht dazu vorgelesen. Das wäre natürlich schön, wenn man die Tanzfigur mal ausprobieren könnte.
MK - Leonidas: Tanzen Sie gerne? Vielleicht Charleston oder Boogie-Woogie?
FR: Ich wäre froh, wenn mir das von euch jemand vormachen könnte, denn tatsächlich habe ich das noch nie getanzt.
MK - Daniel: Warum hat der 'De Stijl' Stil kein Alter? Er wirkt so zeitlos.
FR: Meint ihr hier die Bilder von Mondrian, mit weiß, den schwarzen Linien und den drei Farben?
MK - Daniel: Ja genau.
FR: Das finde ich eine super Beobachtung von euch. Wenn ihr sagt, der wirkt so zeitlos, versteht ihr zu 100% wie das früher gemeint war, und wie Piet Mondrian das wollte. Sein Ziel war es wirklich so zu malen, dass es immer zu jeder Zeit aktuell wirkte. Und er wollte auch, dass es Menschen aus allen Ländern verstehen. Diese Bilder kann ein Franzose oder auch ein Mensch, der aus Deutschland kommt in gleichem Maße „lesen“. Es ist kein Text, aber man muss sich vorstellen, wenn da Figuren dargestellt sind auf einem Bild, die zum Beispiel ein Märchen, das nur in Frankreich bekannt ist, darstellen, dann würde jetzt jemand von hier sagen, keine Ahnung, was auf diesem Bild drauf ist, das verstehe ich nicht. Diese Linie und diese Farben, die kann jeder verstehen und zu jeder Zeit.
MK - Naomi: Können Sie niederländisch?
FR: een beetje (ein bisschen). Wir mussten natürlich viele niederländische Namen lernen und lesen und es ist eine ganz schöne Herausforderung, wenn der Buchstabe G in den Namen vorkommt, da sprechen das die Niederländer mit einem CHR-Ton, das sind wir so gar nicht gewohnt. Deswegen heißt der Theo auch eigentlich Theo van DoesburCHR. Da haben wir uns darauf geeinigt, dass wir das nicht die ganze Zeit versuchen wollen zu sagen, weil das so unglaublich anstrengend ist. Man kann auch die niederländischen Texte, von Piet Mondrian zum Beispiel fast verstehen. Wenn man es so ganz schnell liest, dann ahnt man worum es geht. Aber leider lernt man nicht automatisch mit der niederländischen Kunst auch die niederländische Sprache.
MK - Laura: Wer ist ihr Lieblingskünstler in der Ausstellung und warum und welches Werk von Ihm?
FR: Das ist nicht nur Piet Mondrian. Den mag ich zwar sehr gerne, aber wen ich entdeckt habe, das ist ein ungarischer Künstler und der heißt Vilmos Huszár. Von dem ist zum Beispiel dieses organge-gelb-weiße Bild. Das ist mein persönliches Lieblingsbild. Das Bild heißt 'Komposition. Hammer und Säge'. Auf Anhieb sieht man keine Säge und keinen Hammer. Der Künstler hat auch gesagt, er möchte gar keinen Hammer und keine Säge malen, wie wir uns die vorstellen. Er erinnert sich daran, wenn er jemanden sieht, der hämmert und jemanden der sägt, dass das einen bestimmten Rhythmus hat, eine bestimmte Bewegung. Die Säge geht immer waagerecht und der Hammer geht immer senkrecht rauf und runter. Er wollte uns in seinem Bild, indem er geometrische Streifen darauf gemalt hat, diese Bewegung von gleichzeitig Sägen und gleichzeitig Hämmern vermitteln. Er will die Erinnerung an die Bewegung des Hämmerns und des Sägens darstellen und nicht Hammer und Säge. Das finde ich ein tolles Beispiel dafür, was diese Kunst, die gar keine Gegenstände oder Menschen zeigt, sondern einfach nur Formen und Farben, was die kann. Es macht mir richtig Spaß. Wenn ich das Bild anschaue, dann gerät das so richtig in Bewegung.
MK - Anja: Dürfen wir von Ihnen und Ihrem Lieblingsbild ein Foto machen?
FR: Ja klar, sehr gerne.
MK - David: Warum haben Sie eigentlich diese Künstler ausgewählt? Weil es moderne Kunst ist?
FR: Wir haben Piet Mondrian vor allen deswegen ausgewählt, weil er einer der ersten ist, die Anfang des 20. Jahrhunderts keine Figuren und keine Gegenstände mehr malen, sondern der nur Formen und Farben auf der Bildfläche darstellt. Wer das noch gemacht hat ist Wassily Kandinsky. Und bei uns im Lenbachhaus, das ja im Moment umgebaut wird, haben wir sehr viele Werke von Wassily Kandinsky, der auch abstrakt gemalt hat. Einige Bilder von Wassily Kandinsky und seinen Freunden des 'Blauen Reiters', wie auch das berühmte 'Blaue Pferd' von Franz Marc sind im Moment an andere Museen ausgeliehen, einige befinden in Japan und andere sind in Wien. Wir möchten unsere Sammlung auch außerhalb von München zeigen, das ist ja besser, als wenn unsere Kunstwerke hier in den Depots, also im Lager, niemand sehen könnte (Anm.: Das Lenbachhaus ist wegen des Umbaus im Moment geschlossen). Ab 2012/ 2013, wann genau, das wird sich noch zeigen, könnt ihr die Bilder des 'Blauen Reiters' auch wieder hier in München anschauen.
MK - Lejla: Vielen Dank, dass Sie hier waren und uns unsere Fragen beantwortet haben.
FR: Sehr gerne, vielen Dank, dass Ihr hier bei uns in der Ausstellung ward, da freuen wir uns auch drüber. Ihr habt das so professionell gemacht und es waren so tolle Fragen, das hat mir echt Spaß gemacht, darauf zu antworten.

Eine Internetseite von Kuki - Kunst für Kinder e.V. für das Münchner Kinderportal www.pomki.de
in Zusammenarbeit mit dem Sozialreferat/ Stadtjugendamt/ Medienbeauftragte